Aus dem Internet-Observatorium #51
UN und Internet-Regulierung: Griff nach der Macht? / 3, 2, 1 Twexit
Hallo zu einer neuen Ausgabe. Etwas kürzer, da ich die vergangenen Tage noch mit einem DLF-Hintergrund zu 10 Jahre Snowden-Enthüllungen beschäftigt war. Sendedatum ist Montag, der 5. Juni um 18:40 Uhr (oder später hier zu finden). Kommende Woche wird das hier im Newsletter dann auch Schwerpunktthema sein.
Und: Ich bin kommende Woche zumindest Montag und Dienstag auf der Re:publica - wer sich auf einen Kaffee mit mir treffen mag, antwortet am besten einfach dieser E-Mail.
UN und Internet-Regulierung: Griff nach der Macht?
Der “Global Digital Compact” (GDC) der Vereinten Nationen fliegt derzeit etwas unter dem medialen Radar. Klar - wenn die UN versuchen, sich als Forum für Digitalisierungsfragen zu positionieren, erwartet man nicht viel.
Die geplant Übereinkunft ist auch kein Völkerrechtsvertrag zur Digitalisierung, sondern eine gemeinsam Absichtserklärung, auch Digitalisierungsziele in den darbenden Globalisierungspakt aus dem Jahr 2000 aufzunehmen.
Konstantinos Komaitis is dennoch alarmiert: Er analysiert das aktuelle Policy-Paper von UN-Generalsekretär António Guterres und kommt zu dem Schluss, dass die UN auf eine Zentralisierung wichtiger Internet-Governance-Fragen hinarbeitet. Und dabei einen Ansatz zu verfolgen scheint, der vor allem Nationen als Stakeholder sieht. Und weniger die wirtschaftlichen und auch zivilgesellschaftlichen Akteure, von denen Letztere beim Internet Governance Forum (IGF) zumindest leidlich vertreten sind.
Im April waren bereits im Artikel der unermüdlichen Monika Ermert solche Sorgen angeklungen. Denn eine nationenzentrierte Internet-Rahmenregulierung ist ganz im Sinne des Blocks, dem China und bis zu einem gewissen Grad Russland vorstehen (siehe Ausgabe #30).
Es ist ein Paradox, das nun schon 15 Jahre und länger besteht: Die Vereinten Nationen wären in der Theorie ein großartiger Ort, um Leitplanken für die Zukunft des Internets festzulegen. Und doch liegen die Vorstellungen eines “freien Internets” global schon lange derart weit auseinander, dass in diesem Rahmen das beste Ergebnis aus Sicht der westlichen Demokraten ein Erhalt des Status Quo wäre. Was heißt, dass man auch beim lahmenden Internet Governance Forum bleiben könnte.
Was sich in der ersten Hälfte der 2020er jedoch abzeichnet: Im Zuge der geopolitischen Veränderungen gerät der bisherige - frustrierende aber funktionsfähige - Status Quo in Bewegung. In welche Richtung und mit welchen Folgen, dafür dürfte es erste Indizien im zweiten Halbjahr geben.
3, 2, 1, Twexit
“As the EU has always been a somewhat secondary market for the platform, and it is becoming increasingly likely that Twitter may opt not to comply with the DSA, withdrawing from Europe altogether.”
Das schreibt der umtriebige Luca Bertuzzi über den Ausstieg Twitters aus dem “EU-Pakt gegen Desinformation”. Naht also der Twexit? Ich habe in Ausgabe #45 beschrieben, welche logistischen Hürden damit verbunden wären. Aber die Fokussierung des neuen Twitter-Eigentümers, zum amerikanischen Fox News des Web 2.0 zu werden, lassen einen freiwilligen Rückzug nicht völlig unwahrscheinlich erscheinen.
Am Rande bemerkt: Ich kenne niemanden mit Fachwissen, der diesen “Pakt gegen Desinformation” von 2018 für ein gelungenes Projekt hält. Die EU-Kommission erfüllte damit einfach die Selbstregulierungswünsche der Tech-Firmen.
Links
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Bis nächste Woche!
Johannes