Aus dem Internet-Observatorum #134
Tech-Reaktionäre und der Trumpismus: Es ist kompliziert / DMA-Strafen / Wo steht Google?
Hallo zu einer neuen Ausgabe! Dieses Mal mit ein paar ausführlicheren Gedanken zum Konflikt zwischen den neuen Tech-Reaktionären und den “alten” Trumpisten. Plus: Ein paar Notizen zu aktuellen Wettbewerbsurteilen und Prozessen in Europa und den USA.
Tech-Reaktionäre in der amerikanischen Rechten: Ein auflösbarer Widerspruch?
Seit dem US-Wahlkampf geistert ein Thema durch den politischen Zeitgeist (zum Beispiel neulich in der ZEIT): Kann das Bündnis zwischen den reaktionären Techno-Optimisten wie Elon Musk und Mark Andreessen auf der einen und der antiglobalistischen populistisch-reaktionären Rechten im Sinne des klassischen “Trumpismus” auf der anderen Seite wirklich dauerhaft halten?
Die Debatte hat in dieser Woche neue Aktualität bekommen, nachdem Elon Musk wegen des Tesla-Sinkflugs angekündigt hat, seine Arbeit für die US-Regierung und DOGE deutlich zurückzufahren. Das Abklingen der Musk-Aktivitäten in Washington war erwartet worden (wohl auch rechtlich bedingt), die Konflikte zwischen Trumps Beratern und Musk über die Zollpolitik dürften das Ganze noch einmal beschleunigt haben.
Unklar ist, was sich daraus mittelfristig für den Einfluss der Tech-Reaktion ergibt. Stephen Bannon, der gerne die wahre antiglobale Rechte und den Ur-Trumpismus verkörpern würde, sieht die Tech-Milliardäre bekanntermaßen als Feinde, die im Populismus der globalen Reaktion nichts zu suchen haben.
Nun waren der einstige amerikanische Konservatismus und die republikanische Partei schon immer ein “großes Zelt”, in dem viele Strömungen Platz fanden. Nun, da die Republikaner zu einer Bewegung des reaktionären Nationalismus mit protofaschistischen Zügen geworden sind, stellt sich die Frage, wie viel Widerspruch diese Bewegung aushält. Der kluge Henry Farrell beschreibt den Konflikt der beiden Lager in seinem Blog Programmable Mutter (übersetztes Zitat mit meinen Fettungen):
“Es ist nicht nur so, dass die amerikanische Rechte immer extremer wird, sondern dass ihr Extremismus in zwei radikal unterschiedliche Richtungen geht. Die eine Fraktion sehnt sich nach der kulturellen Stabilität einer Welt zurück, in der sich alle auf gemeinsame Werte einigen (oder einigen müssen) und die einzigen legitimen Argumente sich darauf beziehen, wie man die weltliche Version des Himmelreichs am besten erreichen kann. Die andere phantasiert von einer radikalen Beschleunigung der Kräfte des Wandels, die die Gesellschaft im Namen der ständigen Innovation zerreißt. Sich auf das eine zuzubewegen bedeutet, sich direkt vom anderen zu entfernen.”
Vereinfacht gesagt könnte man von einer statischen, autoritären Gesellschaftsidee mit religiöser Prägung auf der einen, einer dynamischen, hyperindividualistischen und regelskeptischen Gesellschaftsvision auf der anderen Seite sprechen. Wer es vereinfachen möchte, könnte ein quasi-autoritäres System mit dem Staat am Steuer einem kapital-autoritären System mit den “Erfindern” als Antreibern zivilisatorischer Entwicklungen gegenüberstellen.
Interessanterweise gibt es eine Person, die diese Gegensätze in sich vereint und sie auch aufzulösen versucht: J.D. Vance. Der thematisierte den Konflikt Mitte März in einer Rede auf dem American Dynamism Summit. Hier ein übersetzter Auszug (Fettungen meine):
“In den 1970er Jahren, wenn man ein wenig zurückgeht, befürchteten viele, dass der Geldautomat - das, was wir „ATM“ nennen - die Bankangestellten ersetzen würde. In Wirklichkeit hat die Einführung des Geldautomaten die Produktivität der Bankangestellten erhöht, und heute arbeiten mehr Menschen im Finanzsektor im Kundenservice als zu der Zeit, als der Geldautomat eingeführt wurde. Natürlich haben sie jetzt etwas andere Aufgaben, ja. Sie haben auch interessantere Aufgaben, und, was noch wichtiger ist, sie verdienen mehr Geld als in den 1970er Jahren.
Nun, wenn wir innovativ sind, verursachen wir manchmal Störungen auf dem Arbeitsmarkt. Das kommt vor. Aber die Geschichte der amerikanischen Innovation zeigt, dass wir dazu neigen, die Menschen produktiver zu machen, und dass wir dabei auch ihre Löhne erhöhen. Und ich denke, wir alle glauben, dass das eine gute Sache ist.
Wer würde schließlich behaupten, dass der Mensch durch die Erfindung des Transistors, der Drehbank oder der Dampfmaschine weniger produktiv geworden ist?
Echte Innovationen machen uns nicht nur produktiver, sondern sie verleihen unseren Arbeitnehmern auch mehr Würde. Sie steigert unseren Lebensstandard. Sie stärkt unsere Arbeitskräfte und den relativen Wert ihrer Arbeit.”
Das ist natürlich widersprüchlich bzw. nicht aufrichtig: Denn der Fortschritt, wie ihn das kapital-autoritären System der Tech-Reaktion vorsieht, kennt den “Arbeiter” als Subjekt nicht. Er ist vielmehr gleichgestellt mit allen anderen Menschen, deren Schicksal deterministisch an den technologischen Fortschritt gekoppelt ist - oft symbolisiert durch “Artificial General Intelligence” oder “Super-AI”.
Wenn sich dieser Teil von “Tech” mit der “Zukunft der Arbeit” beschäftigt, drehen sich die Debatten entweder um das bedingungslose Grundeinkommen (wobei diese Diskussion eher dem progressiven Tech-Flügel zuzuordnen ist), oder der Konflikt wird geleugnet, weil technologischer Fortschritt in dieser Logik Arbeit besser und produktiver macht, statt den menschlichen Anteil daran überflüssig zu machen. Auch Vance argumentiert ja so.
Diese Position, abgeleitet aus den Erfahrungen des 19. und 20. Jahrhunderts, könnte sogar die realistischere sein. Das ist aber nicht, woran gerade gearbeitet wird - Stichwort AGI oder humanoide Roboter (siehe Ausgabe #127).
Die Frage ist, ob sich aus dieser Konstellation ein Konflikt ergeben kann, der die neue amerikanische Rechte spaltet. Das Gegenmodell des Ur-Trumpismus basiert ja ökonomisch nicht unbedingt auf technologischem Fortschritt, sondern erhofft das Ende der Globalisierung und industrielles Reshoring. Das also, woran Trump gerade arbeitet.
Dieses Reshoring-Modell ist aber bei genauerer Betrachtung noch unrealistischer als eine AGI, die wie eine scharfe Sense durch den Arbeitsmarkt gleitet. Beziehungsweise: Beide Entwicklungen konvergieren im Modell von Industrieproduktionen im amerikanischen Heartland, in denen nicht einfach wenige, sondern schlicht gar keine Menschen mehr arbeiten. Der eigentliche Kampf wäre hier nur noch der, ob die Wertschöpfung bei den KI-Technologieanbietern landet oder auch noch etwas für die industriellen Zwischenanwender übrig bleibt.
So betrachtet wäre eine neue Form von “Maschinensturm” durch den Ur-Trumpismus eigentlich folgerichtig. Allerdings war das Verhältnis zwischen Firmen & Milliardären und den “einfachen Leuten” im amerikanischen Konservatismus immer schon ein instrumentelles: Ökonomischer Liberalismus und Niedrigsteuern für die Firmen und Wohlhabende, Identitätsthemen und religiöser Einfluss auf die Staatsausrichtung für den Rest der Basis. Dieses Modell gelangte unter Reagan und später unter George W. Bush zu voller Blüte.
Der Trumpismus als überwölbende Bewegung der neuen Reaktion tariert - eher instinktiv als strategisch - dieses Verhältnis im Extremen aus: Der Staat als Protagonist bei Identitätsthemen (bis zur Entmenschlichung politischer Gegner), organisierte christliche Religion als Ersatz-Akteur für den Staat in Feldern wie Rechtsauslegung (Abtreibung) oder Bildung (Lehrpläne); parallel der Staat als Selbstbedienungsladen in direkter (persönliche Gefallen, Begnadigungen von Wirtschaftskriminellen) sowie indirekter Form (Entkernung regulativer Instanzen, geplante Steuerreform zugunsten der Superreichen).
Dieses Gleichgewicht ist nun durch die Zölle empfindlich gestört, sind sie doch anders als in Zeiten von Trump I keine symbolischen Akte mehr, sondern haben realwirtschaftliche Konsequenzen in Form von zu erwartendem Wohlstandsverlust. Gefahr droht auch einigen Projekten der reaktionären Techno-Optimisten, die jenseits der Software-Ebene auf internationale Arbeitsteilung bzw. Funktionsfähigkeit der Aktienmärkte angewiesen sind.
Beide Lager finden sich nun in einer seltsamen Koalition wieder: Gemeinsam ist ihnen der Wille, den Staat in seiner bisherigen Form zu demontieren. Was danach kommen sollte, davon haben sie dagegen sehr unterschiedliche Vorstellungen. In einer fortgesetzten Automatisierung wäre ein Lager der Gewinner, das andere der Verlierer.
Gemein ist beiden wiederum, mittelfristig negativ von Zöllen betroffen zu sein, aber ebenfalls unterschiedlich: Die reaktionären Tech-Optimisten können darauf hoffen, dass ihr Kapitalpolster sie über diese vorläufige Krise hinweg trägt und “der Markt” den Ur-Trumpismus zu Korrekturen zwingt. Die antiglobalistische Rechte dagegen hat ein solches Polster nur in den oberen Schichten, aber nicht darunter - hier ist es der pure Wert des Symbolischen, von Zöllen als Teil der Trump-Ideologie, sie erträglich macht. Vorerst.
Aus dieser Konstellation können verschiedene Entwicklungen entstehen: Musk und sein Lager als Sündenbock für den Niedergang (wie Bannon es gerne hätte); das Aufrechterhalten der oberflächlichen Gemeinsamkeit, vielleicht verbunden mit nochmals wachsender Xenophobie als Ventil für die Frustration; eine Entpolitisierung der reaktionären Tech-Optimisten und der Rückzug in den Bereich der Wirtschaft oder sogar ein Realignment mit der Opposition; eine autoritäre Wende gegen den unzufriedenen Teil der Bevölkerung inklusive der Ur-Trumpisten, vollzogen mit Hilfe digitaler Überwachungstechnologien.
Das alles sind aber sehr spekulative Szenarien - basierend auf sehr schematischen Vorstellungen des Trumpismus, aber auch des reaktionären Teils von “Tech”. Und: Oft enden informelle Machtbündnisse wie diese nicht mit einem Knall, sondern schlicht damit, dass eine Seite unmerklich und dann deutlich sichtbar an Einfluss verliert. Nimmt man Elon Musk als Symbolfigur und Maßstab, könnte dieser Prozess bereits begonnen haben.
DMA-Strafen und der Zollkonflikt
“Vorsichtig” ist wahrscheinlich das richtige Wort: Die Strafen der EU-Kommission gegen Meta und Apple wegen der Verstöße gegen den Digital Markets Act (DMA) sind so bemessen, dass sie den Konzernen noch nicht weh tun. 200 beziehungsweise 500 Millionen Euro entsprechen etwa 0,1 Prozent des jährlichen Umsatzes der beiden Firmen. Das Hundertfache wäre möglich gewesen.
Aber das wäre natürlich nicht angemessen gewesen: Bei “Pay or Consent”, also einem bezahlten Monatsabo für Tracking-Freiheit, hat Meta inzwischen nachgebessert und bietet als dritte Variante eine Art “Datensparsamkeit light” kostenlos an. Letztlich erhalten Nutzer weniger personalisierte Werbung, für die auch weniger Daten verwendet werden (was IMO nicht bedeuten muss, dass auch weniger Daten gesammelt werden). Dieses Modell wird aber gerade noch von der EU-Kommission geprüft, ob es der DMA-Beschwerde entspricht. Deshalb bezieht sich die ausgeprochene Strafe nur auf zehn Monate im Jahr 2024, in der man einzig die Bezahlversion als Alternative zum Tracking anbot.
Bei Apple wiederum geht es um mehrere Dinge: Die Möglichkeit, Apps aus alternativen App-Stores herunterzuladen, wurde nach Ansicht der Kommission nicht ausreichend umgesetzt - der Weg zur Installation sei für Nutzer abschreckend und verwirrend gestaltet. Zudem verlangt man von Entwicklern Service-Gebühren ("Core Technology Fee" - CTF), wenn deren Software über alternative Stores heruntergeladen wird. Und: Die Entwickler hätten zu wenige Möglichkeiten, auf alternative Download-Möglichkeiten (ohne die Apple-Umsatzbeteiligung) hinzuweisen.
Bei Apple lässt sich tatsächlich darüber streiten, welcher Teil der Maßnahmen mit gesteigertem Aufwand (Prüfung extern herunterladbarer Apps auf Schadcode) zu tun hat und welcher Teil schlicht Compliance-Schummelei ist (Nutzer-Verwirrung, Höhe des CTF). Ich würde sagen, dass das Verhältnis Blockade vs. reale Apple-Bedürfnisse ungefähr bei 70:30 lag, die Strafe insofern durchaus angemessen erscheint. Wobei der EuGH hier durchaus Spielraum hat, das anders zu sehen.
Die beiden Konzerne kritisieren die Entscheidung scharf, die US-Regierung setzt noch einen drauf und spricht sogar von “neuartigen Form der wirtschaftlichen Erpressung“, die ein Handelshemmnis darstelle. Allerdings muss Trump derzeit mit Zöllen bekanntlich zurückhaltend sein.
Hat die EU also “Zähne gezeigt”, wie geschrieben wird? Nun, de facto hat man versucht, die Entscheidung etwas zu entpolitisieren. Dass niemand aus der EU-Kommission zur Verkündung anwesend war, wie nun teils kritisiert wird, ist deshalb kein Zeichen der Schwäche - sondern das bewusste Signal, dass DMA- und DSA-Entscheidungen im Kern bürokratische Akte der Rechtsanwendung sind, keine politischen Prozesse.
Wir wissen natürlich, dass das nicht so ganz stimmt. Und wir wissen, dass das die USA selbst dann nicht akzeptieren würden, wenn dem so wäre.
Positiv betrachtet kann man vielleicht ein Signal der EU erkennen, eine klare Linie in der Digitalregulierung finden zu wollen. Eine Linie, in der das Thema hoffentlich nicht für aufgeladene Symbolik missbraucht wird (Hallo, Herr Breton!), aber DMA- und DSA-Durchsetzung auch nicht als Chips für große transatlantische Zoll-Spiel missbraucht werden. Allerdings bin ich bei der Kommission von der Leyen vorsichtig, Signalen wirkliche Bedeutung zuzumessen.
Wettbewerbsverfahren: Wo steht Google?
Sind es gerade “schicksalhafte Tage” für Google/Alphabet? Zumindest sind es keine guten Tage, die der Konzern derzeit erlebt.
Vergangenen Donnerstag entschied eine US-Richterin, dass Google seine marktbeherrschende Stellung in einer Reihe von Online-Werbemärkten zu seinem eigenen kommerziellen Vorteil missbraucht hat (“USA vs. Google LLC 2025”). Genauer gesagt: Mit der festen Integration seiner Werbetechnologien (insbesondere im Bereich der Publisher Ad Server und Ad Exchange) hat es eine illegale Monopolstellung im Markt für Online-Werbung aufgebaut, das besonders Online-Publisher betraf.
Und seit Montag wird vor einem anderen Gericht im Fall “USA vs. Google LLC 2023” die Frage verhandelt, ob die Lösung für das bereits gerichtlich festgestellte illegale Suchmonopol (siehe Ausgabe #103) lauten könnte, dass der Konzern den Chrome-Browser und/oder Android verkaufen muss (siehe Ausgabe #115). Der Prozess ist bis zum 10. Mai angesetzt, das Urteil soll spätestens im August fallen.
Die Folgen des Falls von 2025 sind derzeit noch nicht absehbar - die konkreten kartellrechtlichen Konsequenzen werden frühestens im dritten Quartal verhandelt. Was mögliche Folgen für Endnutzer wären - zum Beispiel eine Abspaltung bestimmter Adtech-Komponenten - und ob Endnutzer überhaupt etwas davon mitbekommen würden, ist unklar.
Etwas heißer ist der 2023er-Fall: Am Montag präsentierte das US-Justizministerium noch einmal seine Vorschläge, wie das festgestellte “illegale Suchmonopol” geheilt werden könnte. Dabei geht man weit über das Verbot von Exklusivverträgen mit Smartphone-Anbietern hinaus, die die Grundlage des Ursprungsurteils bildeten. Unter anderem sieht der Vorschlag vor, Googles Investitionen und Anstrengungen im Bereich KI-Integration enge Grenzen zu setzen.
Übersetztes Zitat aus dem Newsletter Big Tech On Trial:
“Darin forderten sie [die Staatsanwälte] ein Ende der Exklusivverträge, die Google mit Apple, Verizon, Samsung, Mozilla und anderen hat, keine weiteren Zahlungen für den Vertrieb, die Veräußerung von Chrome, Einschränkungen und eine mögliche Veräußerung von Android [wenn nach fünf Jahren keine Besserung eintritt]sowie Beschränkungen für Googles Investitionen in generative KI-Unternehmen und -Produkte. Darüber hinaus müsste Google Daten mit Konkurrenten teilen und seine Suchergebnisse syndizieren. Die Idee hinter diesem Vorschlag war es, Neueinsteiger auf dem Suchmarkt zuzulassen, Googles Vorsprung bei der Suche zu beseitigen, eine Monopolisierung der generativen künstlichen Intelligenz zu verhindern und den Verlegern etwas Macht zurückzugeben.”
Hier als Folien-Bild:
Die Idee dahinter: Googles Ökosystem aus Suchmaschine, Browser und Mobil-Betriebssystem würde aufgelöst und damit den aktuellen Markt öffnen; konkret könnten Konkurrenten mit den Suchdaten eigene Konkurrenzprodukte anbieten; und drittens würde Googles Anstrengungen, sein Suchmonopol in das KI-Zeitalter hinüberzuretten, durch strenge Auflagen ebenfalls eingeschränkt. Das klingt nicht nur drastisch, sondern wäre es auch, weil es weit über das eigentliche Feld hinausgeht.
Google hält das Grundsatzurteil für falsch und hat als Pflichtvorschlag eingebracht, dass Anbieter wie Mozilla und Apple künftig Exklusiv-Deals für Suchmaschinen-Defaults jährlich kündigen könnten. Das Argument: Das Urteil basiert auf den Default-Suche-Deals mit Apple und Co., und nur dort sollte man ansetzen.
Im Kern ist der Google-Vorschlag aber einfach eine Form von “schreib’ mal irgendetwas rein, was uns nicht wehtun könnte”. Offenbar rechnet man damit, dass man beim Berufungsgericht D.C. Circuit Court of Appeals gute Chancen hat, das Grundsatzurteil zu kippen. Was mit Blick auf die Geschichte des Gerichts (Ex-Heimstätte des firmenfreundlichen Supreme-Court-Richters Brett Kavanaugh), das z.B. zugunsten von Firmen gegen Shareholder-Aktivisten und Umwelt-Auflagen urteilte, nicht falsch sein muss.
Da davon auszugehen ist, dass Google (oder die Justizbehörden) Rechtsmittel einlegen werden, dürften sich beide Verfahren noch Jahre hinziehen - sofern Trump nicht eingreift. Interessant ist, dass die zuständige Richterin in ihrer aktuellen Entscheidung zu 2025 auch Fakten aus dem Suchmonopol-Prozess 2023 hinzuzog. Es baut sich gerade also eine Form von Entscheidungsfundament auf, das in der Konsequenz Google deutlich bei der Ausübung der eigenen Macht auf den Online-Werbemärkten beschränken dürfte.
Und auch in Brüssel dürfte man vor allem das Urteil im 2025er-Adtech-Fall mit Interesse beobachten: Denn dort untersucht man seit 2021 den gleichen Sachverhalt und kam zu dem Schluss, dass Googles Ad Exchange gegen das EU-Wettbewerbsrecht verstößt. Diese Feststellung stammt übrigens bereits im Sommer 2023. Eine endgültige Entscheidung über eine mögliche Strafe steht allerdings noch aus. Die Amerikaner arbeiteten also in diesem Fall deutlich effizienter.
Notizen
2x Podcast zum Koalitionsvertrag: Ich war vergangene Woche zweimal in Podcasts, um etwas zu den Digitalthemen im Koalitionsvertrag zu erzählen. Einmal im Politikpodcast des Deutschlandfunks und dann in Breitband bei Deutschlandfunk Kultur. Gerne reinhören.
Genre KI-Vapourware
Was ich gerne lesen würde: Eine wissenschaftliche Arbeit, die nur die Ästhetik von PR-Videos für KI-Vapourware untersucht. Cluey (Claim: “Cheating Tool for Literally Everything”, Versprechen “We built Cluely so you never have to think alone again”) ist schon deshalb ein schönes Beispiel, weil es einfach ein derart komplexbehaftetes Menschenbild zeigt, dass die eigentlich bezweckte Ironie die Peinlichkeit nur noch steigert. Und die Software ist halt einfach schlecht, wie 404 Media nach einem Test schreibt.
Links
Vereinte Nationen warnen vor Ausbreitung von Cyberbetrug.
Metas internes Oversight Board will Informationen über Policy-Wende in Sachen Hate Speech.
Toshiba schickt Quanten-Botschaften 250 Kilometer durch das deutsche Netz. (€)
Third-Party-Cookies in Chrome bleiben.
Anthropic: Volltaugliche “KI-Mitarbeiter” werden in einem Jahr Realität sein.
Wie Thailands Regierung Doxing als Strategie nutzt.
X-Shadowbanning unter Musk. ($)
Keine Nachrichten mehr in kanadischen Meta-Feeds = Clickbait und Lügen schließen die Lücke. ($)
Phishing-Methode: Realitätsnahe Sicherheitschecks für Google und PayPal.
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Geopolitik, Big Tech und die Zukunft der europäischen Sicherheit: Ein Intereconomics-Schwerpunkt.
Europas Cloud-Abhängigkeit. (€)
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Onlyfans und falsche Intimitätserwartungen. (€)
Podcast-Storytelling: Same, same.
Menschliche Ästhetik im Zeitalter der KI.
Bis zur nächsten Ausgabe!
Johannes