I/O 31/Mai/2022
Verifone und Standardsituationen der Digitalausreden / Crypto-Crash aus der Sicht des globalen Südens / Umfrage
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Das Verifone-Desaster und Standardsituationen der Digitalausreden
Ich werde hier nicht das Kartenlesegerät-Desaster nacherzählen, das ist drüben bei Finanz-Szene besser beschrieben. Ich musste vergangene Woche schmunzeln, als die Deutsche Finanzwirtschaft offenbar behauptete, das “Verifon H5000” sei nur relativ gering verbreitet. Da war mir das Schild “Nur Bargeld” in verschiedener Ausführung schon bei Tankstelle, Woolworth, einigen Restaurants, Rossmann und bei Aldi begegnet. Und das nur in einem einzigen Stadtteil Stadtteil. Tja, und Verifon selbst bewarb das H5000 auf seiner Homepage als “meist verkauftes Terminal in Deutschland”.
Die Verifon-Krise zeigt ganz gut, wie Digitalprobleme - von kleineren IT-Ausfällen bis hin zum Ransomware-Angriff - hierzulande kommuniziert werden. Chronologisch läuft das ungefähr so ab:
Es gibt ein Problem.
Das Problem müsste bald gelöst sein.
Das Problem ist noch nicht gelöst, aber es gibt nur wenige Betroffene.
Das Problem könnte etwas länger bestehen.
Wir arbeiten an der Lösung des Problems. Allerdings ist der Ausmaß des Schadens und die Zahl der Betroffenen höher als gedacht.
Wir arbeiten weiterhin an der Lösung eines Problems und geben zu. Oh, und weil wir dabei sind: Wir haben jetzt die Ursache, sie liegt in irgendetwas, was allen bekannt war aber flächendeckend übersehen wurde.
Wir haben eine Lösung, aber sie ist noch nicht einsatzbereit.
Wir haben eine einsatzbereite Lösung, aber sie funktioniert noch nicht bei allen.
Wir haben eine einsatzbereite Lösung, raten aber angesichts des Aufwands zu Tabula Rasa.
Der Crypto-Crash im globalen Süden
Im Moment ist es einfach, den Niedergang unterschiedlichster Crypto-Hype-Coins zu verspotten und zu sagen: Wer in ein Schneeballsystem investiert, ist selber schuld.
Dieses Stück aber zeigt am Beispiel des Stablecoins Terra, warum das eben nicht pauschal angebracht ist: Von Argentinien bis Iran haben viele relativ arme Menschen ihre Ersparnisse in Terra angelegt - oft, weil im eigenen Land US-Dollar schlicht nicht zu bekommen sind. Und die angebliche Kopplung der virtuellen Währung Terra an den realen US-Dollar eben Stabilität versprach.
Eine Chimäre, die gerade einige Menschen ihre über Jahre hinweg gesammelten Ersparnisse kostet. Der Economist hatte neulich eine ähnliche Geschichte über schwarze Amerikaner, die deutlich crypto-aktiver als weiße Amerikaner waren. Unter anderem wegen einer falschen Vorstellung von Sicherheit: In einer Umfrage glaubten 30 Prozent der befragten Afroamerikaner und -amerikanerinnen fälschlicherweise, dass Cryptowährungen staatlich reguliert seien - doppelt so viele wie unter weißen Amerikanern. Die Cryptosphäre ist mit extrem viel Bullshit geflutet - und wer regulären Finanzinstitutionen misstraut oder keinen Zugang zu ihnen hat, scheint hierfür besonders anfällig.
Das Ich als ultimative Botschaft
Zitat von Drew Austin aus seinem aktuellen Newsletter (Fettungen von mir):
“All digital content, from the New York Times to an anonymous Twitter account shilling an NFT project, is now presumed to reflect an individual’s or group’s specific perspective, limited at best and biased at worst, but always with an agenda to promote, however innocuous. This is the age of sponsored content, grifting, astroturfing, cults, psy-ops, and ubiquitous branding—the age of fake things that become real simply by enduring long enough. Versions of this have always existed, but today it is all deeply embedded in the very fabric of internet-mediated reality; on social media, the self is the ultimate message behind everything, and content is rarely disconnected from that message.”
Links
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