Aus dem Internet-Observatorium #138
Rumänien und TikTok - was passierte wirklich? / Schule und universitäre Bildung vs. Smartphone und KI
Hallo zu einer neuen Ausgabe! Ich leide ja an dieser Journalisten-Krankheit: Ich mache zu wenige Follow-ups. Dabei ist es doch ziemlich relevant, ob der “erste Rohentwurf der Geschichte”, wie aktuelle journalistische Arbeit gerne etwas prätentiös genannt wird, die richtige Orientierung gegeben hat. Oder einfach Quatsch war, weil hinter ihm mehr Narrativ als Wissen steckte. Oder weil man hinter die Fichte geführt wurde.
Deshalb diese Woche: Rumänien. Unter anderem.
Und dann noch ein kleiner Hinweis: Kommende Woche erscheint keine Ausgabe, #139 dann in 14 Tagen.
Rumänien und TikTok - was passierte wirklich?
Ich hatte vergangenen Dezember in Ausgabe #118 ausführlich über Rumänien geschrieben, genauer gesagt über die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, die Präsidentschaftswahl wegen mutmaßlicher ausländischer (russischer) Einflussnahme über TikTok neu anzusetzen. Und ich war damals weder von der rechtlichen Grundlage, noch von den Vorwürfen überzeugt.
Jetzt, da Rumänien einen neuen Präsidenten gewählt hat (Nicușor Dan, der zum proeuropäischen Lager gehört), ist es Zeit für ein kleines Follow-up: Was ist der aktuelle öffentlich zugängliche Erkenntnisstand?
Die rumänischen Sicherheitsbehörden haben bislang keine konkreten Beweise einer ausländischen Einflussnahme vorgelegt. Die Untersuchung ist aber noch nicht abgeschlossen. Auch von der EU-Untersuchung ist noch nichts bekannt.
TikTok hat im Zuge des EU-Codes gegen Desinformation seinen Bericht für das zweite Halbjahr 2024 vorgelegt, in dem auch die rumänische Präsidentschaftswahl stattfand. Demnach identifizierte man in Rumänien 27.000 Konten als inauthentisch und mit dem Ziel aktiviert, den späteren Erstrunden-Wahlgewinner, den Rechtspopulisten Călin Georgescu mit Kommentaren zu unterstützen. Außerdem habe man 10.700 politische Werbeanzeigen gelöscht (politische Werbung ist bei TikTok nicht erlaubt), die insgesamt eine Reichweite von 27 Millionen Impressions erzielten. Das ist ein größeres Ausmaß, als TikTok zunächst eingeräumt hatte.
Die TikTok-Kampagne lässt sich inzwischen so rekonstruieren: Vor der Wahl tauchte eine Kampagne mit dem Hashtag #StabilitätundIntegrität (übersetzt) auf. Zugleich posteten Influencer Beiträge, in denen sie sich Stabilität und einen “Patrioten” als Präsidenten wünschen. Die Influencer wurden anonym über den auf Creator-Payments spezialisierten Dienst FameUp bezahlt. Influencer berichten der BBC, dass unter ihren Videos sehr schnell viele Pro-Georgecu-Kommentare auftauchten.
In einem Plot-Twist stellte sich heraus, dass die Kampagne #StabilitätundIntegrität eigentlich ein Werk der Nationalliberalen Partei war (PNL), die mit Georgescu politisch nichts zu tun hat, ihm auch ideologisch fern steht. Tatsächlich wurde das Hashtag offenbar für die Pro-Georgescu-Kampagne gekapert.
Wer die 27.000 Sockenpuppen- und/oder Bot-Konten betrieben hat, ist unklar. Die rumänischen Behörden dürften aber diese Taktik meinen, wenn sie darauf verweisen, dass sie der Strategie Russlands in der Ukraine (hier Details) bis aufs Haare gleicht. Allerdings ist das noch kein Beweis für eine russische Urheberschaft.
Der “TikTok-König” und Crypto-Millionär Bogdan Peșchir (siehe Ausgabe #118) wurde Mitte März verhaftet und saß einige Wochen in Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen, die Influencer zugunsten von Georgescu aktiviert und auch bezahlt zu haben.
Die Staatsanwaltschaft hat eine Liste mit 261 TikTok-Nutzern veröffentlicht, denen Peschir zwischen März 2024 und Januar 2025 Geld zahlte. Insgesamt zahlte er umgerechnet 880.000 US-Dollar.
Die BBC zitiert Medienberichte, wonach die Staatsanwaltschaft Peschir vorwirft, in den 260+ Fällen Influencer mit TikTok-Geschenken dafür bezahlt zu haben, bei den Präsidentschaftswahlen “für einen bestimmten Kandidaten zu stimmen". Peschir wird deshalb Wählermanipulation in mehr als 260 Fällen vorgeworfen; ihm drohen bei einer Verurteilung sechs Monate bis drei Jahre Haft.
Peschir selbst erklärt, ein Teil der Zahlungen stamme aus der Zeit vor Oktober, als Georgescu noch nicht einmal seine Kandidatur erklärt habe. Zudem haben nach Angaben der BBC einige Musiker TikTok-Zahlungen erhalten, die in ihren Videos den traditionellen rumänischen Manele-Musikstil aufführen. Es sei bei keiner der Zahlungen um den Wahlprozess gegangen, sagen Peschirs Anwälte.
Die Höchstsumme (177.000 US-Dollar umgerechnet) ging an einen inzwischen geschlossenen Account, danach folgen umgerechnet ca. 80.000 US-Dollar für Victor Micula, dem Spross einer rumänischen Superreichen-Familie. Micula ist ebenfalls Influencer und wird auch wegen Wählermanipulation angeklagt.
Peschir bestreitet, soweit ich das gesehen habe, jegliche Kontakte nach Russland und selbst persönliche Bekanntschaft mit Georgescu.
Georgescu durfte bekanntermaßen bei der Wahlwiederholung nicht antreten. Die Staatsanwaltschaft untersucht derzeit seine Wahlkampffinanzierung, unter anderem mit Blick auf einen rumänischen Söldner-Unternehmer mit Namen Horațiu Potra, der mit Georgescu regelmäßig Kontakt hat. Potras Truppen kämpfen unter anderem im Kongo, er und seine Freundin sollen gute Kontakte nach Moskau pflegen. Ob ihm illegale Wahlkampffinanzierung Georgescus oder sogar eine Form von Mittelsmann-Rolle nachgewiesen werden kann, ist unklar (wäre aber auch für die TikTok-Tangente irrelevant).
Was lässt sich also bilanzieren? Weiterhin ist unklar, wer die Bot-/Sockenpuppen-Kampagne gesteuert hat, die Georgescu Reichweite verschafft. Hier könnten die forensischen Beweise, die TikTok auf EU-Geheiß sichern müsste, vielleicht Aufschluss geben.
Ebenfalls nicht geklärt: Für was genau Peschir die Influencer bezahlt hat bzw. wie viele davon wirklich Pro-Georgescu-Content ablieferten. Peschir war schon vorher - siehe Spitzname “TikTok-König” - als großzügiger Unterstützer von rumänischen TikTokern aufgetreten.
Soweit ich das anhand der Berichterstattung bewerten kann, scheint mir deshalb die Anklage gegen Peschir wegen “Wählermanipulation” auf wackligen Füßen zu stehen. Im Kern glaube ich (siehe Ausgabe #118), dass es eine Gesetzeslücke gibt: Nämlich bei der Frage, wie der rumänische Gesetzgeber mit geldwerter Unterstützung im Wahlkampf umgehen soll, wenn sie durch “Dritte” und an Kandidaten und Parteien vorbei organisiert wird. Oder eine Zusammenarbeit zumindest nicht nachgewiesen werden kann.
Bei der Frage nach der Annullierung der Wahl würde ich meine Einschätzung heute so formulieren: Angesichts der Tragweite der Konsequenzen benötigt es unbedingt klare Maßstäbe, Erkenntnisse und Prozedere, wenn ein Gericht hier eingreift. Ich bin weiter der Meinung, dass nichts von den Dreien gegeben war.
Exkurs: Der DSA-Krisenreaktionsmechanismus
Der DSA-Krisenreaktionsmechanismus könnte theoretisch helfen, dass solche mutmaßlichen Reichweiten-Manipulationsversuche künftig früher erkannt und analysiert werden, um die Plattformen gegebenenfalls zu Gegenmaßnahmen zu verpflichten. Als letzte Möglichkeit können die nationalen Digitale-Dienste-Koordinatoren Plattformen sogar für einen begrenzten Zeitraum in ihrem Land sperren (Artikel 70).
In der Praxis dürfte das Procedere für externe Ad-hoc-Maßnahmen allerdings kaum zu gebrauchen sein (siehe Schaubild). Prinzipiell ist das auch gut so (wir erinnern uns an die Trilog-Diskussion über den DSA-Artikel 27a und die zwischenzeitlich vorgesehene Möglichkeit der EU-Kommission, ohne Rücksprache unbegrenzte Sperrungen zu erlassen). Genau wie es gut ist, dass die Anwendung auf Gefahren für die nationale Sicherheit eingegrenzt ist (was die Frage aufwirft, ob eine verdeckte Unterstützungskampagne, die ja nicht in Stimmen “messbar” ist, überhaupt darunter fallen würde). Und doch zeigt die Debatte über den Fall in Rumänien, dass durchaus Situationen vorstellbar sind, in denen sich der jetzige Krisenmechanismus als ungeeignet herausstellt.
Schule und universitäre Bildung vs. Smartphone und KI
Das wird keine stringente Analyse, sondern eher eine Vorsortierung von Gedanken zum Thema der Überschrift. Denn ich stoße hier gerade auf eine Menge diskursrelevanter Texte.
Am stärksten zum Nachdenken hat mich dabei der Text eines Highschool-Lehrers in Harlem, New York, gebracht. Er beschreibt darin, wie seine Schule mit unterschiedlichsten Methoden versuchte, Smartphones aus der Schule zu verbannen. Und wie die Schüler alles daran setzten, diese Versuche ins Leere laufen zu lassen.
Hier beschreibt er was passierte, als die Schüler und Schülerinnen ihre Smartphones in kleine Taschen packen mussten, die nur die Lehrkräfte wieder öffnen konnten (übersetzt):
“Auch wenn sie nicht auf ihr Telefon zugreifen konnten, spürten sie immer noch einen Dopaminschub, wenn sie eine Vibration in der Tasche spürten. Sie mussten es wissen. Sie mussten es sehen. Das machte sie verrückt.
Die Schüler begannen, Stifte zu nehmen und die Handytaschen aufzustechen, andere Kinder benutzten ihre Schlüssel, um den Schließmechanismus abzusägen. Andere brachten zwei Handys mit in die Schule. Sie ließen den Dekan dabei zusehen, wie sie ihr altes Telefon am Eingang in die Tasche steckten und ihr Haupttelefon in ihrem Rucksack behielten, bis die Luft rein war.
Ein Kind wurde sogar unternehmerisch tätig. Der Junge ging zu Amazon und kaufte den Magneten, der die Handytaschen entriegelt, für 50 Dollar. Dann berechnete er den Kindern jedes Mal einen Dollar, wenn sie ihr Handy entsperren wollten.”
Der Text ist der lesenswerteste, den ich diese Woche verlinke. Weil er nochmal deutlich macht, wie stark der Dopamin-Prozess das Verhalten der Jugendlichen prägt. Und weil er durchaus eine positive Botschaft hat: Als man eine geeignete Methode gefunden hatte (Abgabe am Eingang, Verwahrung in Schließfächern, hohe Strafen bei Verstößen), änderte sich das Schulklima:
“Die Lehrer müssen keinen unmöglichen Kampf gegen die Technik führen. Die Schüler unterhalten sich zwischen den Unterrichtsstunden miteinander. In der Cafeteria hört man die Gespräche. Die Lehrer vermitteln den Stoff schneller. Cybermobbing hat abgenommen. Wenn ein Kampf stattfindet, rennt nicht gleich die halbe Schule aus dem Klassenzimmer, um zuzuschauen. Das sinnlose Herumstöbern im Internet findet in ihrer Freizeit statt, nicht in der Schulzeit. Jungen können sich auf der Toilette (oder in der Cafeteria) keine Pornos ansehen. Ich muss keinen unmöglichen Krieg gegen die besten Verhaltenspsychologen führen, die das Silicon Valley je beschäftigt hat.”
Mehr noch: Weil die Kids nicht mit Langeweile klarkommen, stehen die Chancen gut, dass man sie für den Unterricht interessieren kann.
Der Text hat mich zum ersten Mal dazu gebracht, zu sagen: Lasst uns nicht abwarten mit den Smartphone-Verboten an Schulen, bis wir die Auswirkungen wissenschaftlich belegen können. Lasst uns jetzt damit anfangen.
Ein weiterer Artikel, der in den vergangenen Wochen die Runde macht, trägt den Titel “Everyone is cheating their way through college” (New York Magazine, $). Das Thema ist selbsterklärend - ChatGPT frisst gerade die bisherige Vermittlungsformate unserer Bildung auf. Zitat:
“Es ist ja nicht so, dass Schummeln neu wäre. Aber jetzt wurde, wie ein Schüler es ausdrückte, ‘die Decke weggesprengt’. Wer könnte schon einem Werkzeug widerstehen, das jede Aufgabe einfacher macht und dessen Einsatz scheinbar keine Folgen hat? Troy Jollimore, Dichter, Philosoph und Ethikprofessor an der Cal State Chico, der den größten Teil der letzten zwei Jahre mit der Bewertung von KI-generierten Arbeiten verbracht hat, hat Bedenken. ‘Eine große Anzahl von Studenten wird die Universität mit einem Abschluss verlassen und in die Arbeitswelt eintreten, die im Grunde genommen Analphabeten sind’, sagt er. ‘Sowohl im wörtlichen Sinne als auch im Sinne eines historischen Analphabeten, der keine Ahnung von seiner eigenen Kultur hat, geschweige denn von der eines anderen.’
In eine ähnliche Richtung geht dieser Text von Clayton Ramsey. Er wurde Anfang des Monats oft in Tech-Kreisen geteilt. Ramsey ist Informatik-Doktorand und benotet in diesem Zuge Hausarbeiten von Studenten. Was er dabei zu sehen bekommt: Chatbot-Output. Bulletpointiert, lahm, sprachlich redundant. Er schreibt:
„Ich schreibe diesen Artikel als Appell an alle: nicht nur an meine Studierenden, sondern auch an die Blog-Poster und Reddit-Kommentatoren, die Autoren von weak-accept Arbeiten und Reviewer. Lassen Sie nicht einen Computer für sich schreiben! Ich sage das nicht aus Gründen der intellektuellen Ehrlichkeit oder aus dem Geist der Fairness. Ich sage das, weil ich glaube, dass Ihre ursprünglichen Gedanken viel interessanter, sinnvoller und wertvoller sind als das, was ein großes Sprachmodell aus ihnen machen kann.“
Im Kern ist der Text ein Plädoyer für den Wert menschlicher Erfahrung. Denn Denken und Schaffen beruht auf Erfahrungen und lässt sich deshalb nicht von einer Syntax-Maschine reproduzieren.
„Der Sinn des kreativen Schaffens besteht darin, die eigenen Erfahrungen mitzuteilen – wenn es keine Erfahrungen zu teilen gibt, wozu die Mühe? Wenn es nicht wert ist, geschrieben zu werden, ist es auch nicht wert, gelesen zu werden.“
Sein Fazit: Wenn Du mit KI arbeitest, zeige mir doch lieber den Prompt als das Ergebnis.
Fakt ist, es wird sich etwas ändern müssen in unserem Bildungssystem. D. Graham Burnett stellt deshalb im New Yorker stellvertretend für viele andere Fächer die Frage, ob die Geisteswissenschaften KI überleben werden. Erlaubt mir, dass ich für seine Antwort eine längere Passage zitiere (übersetzt):
“Die fabrikmäßige wissenschaftliche Produktivität war nie das Wesen der Geisteswissenschaften. Das eigentliche Projekt waren immer wir: die Arbeit des Verstehens, und nicht die Anhäufung von Fakten. Nicht ‘Wissen’ im Sinne eines weiteren Sandwichs aus wahren Aussagen über die Welt. Das ist großartig - und in den Natur- und Ingenieurwissenschaften ist es so ziemlich das Wichtigste. Aber keine noch so gut begutachtete Wissenschaft, kein Datensatz kann die zentralen Fragen lösen, die sich jedem Menschen stellen: Wie soll man leben? Was ist zu tun? Wie begegnet man dem Tod?
Die Antworten auf diese Fragen sind nicht da draußen in der Welt und warten darauf, entdeckt zu werden. Sie werden nicht durch ‘Wissensproduktion’ gelöst. Sie sind das Werk des Seins, nicht des Wissens - und Wissen allein ist dieser Aufgabe völlig unangemessen.
In den letzten etwa siebzig Jahren haben die universitären Geisteswissenschaften diese Kernwahrheit weitgehend aus den Augen verloren. Verführt durch das steigende Prestige der Wissenschaften - auf dem Campus und in der Kultur - haben die Geisteswissenschaftler ihre Arbeit so umgestaltet, dass sie die wissenschaftliche Forschung nachahmt. Wir haben eine Fülle von Wissen über Texte und Artefakte produziert, aber dabei die tieferen Fragen des Seins, die dieser Arbeit ihren Sinn geben, weitgehend aufgegeben.
Jetzt muss sich alles ändern. Diese Art der Wissensproduktion ist faktisch automatisiert worden. Infolgedessen werden die ‘szientistischen’ Geisteswissenschaften - die Produktion von faktenbasiertem Wissen über humanistische Dinge - rasch von den Wissenschaften absorbiert, die die KI-Systeme geschaffen haben, die jetzt die Arbeit erledigen. Wir werden uns die „Antworten“ von ihnen holen.
Aber Mensch zu sein bedeutet nicht, Antworten zu haben. Es bedeutet, Fragen zu haben - und mit ihnen zu leben. Die Maschinen können das nicht für uns tun. Weder jetzt noch jemals.
Und so können wir endlich wieder - ernsthaft, ernsthaft - zur Neuerfindung der Geisteswissenschaften und der humanistischen Bildung selbst zurückkehren. Wir können zu dem zurückkehren, was immer der Kern der Sache war - die gelebte Erfahrung der Existenz. Das Sein selbst.”
Es mag naiv sein zu glauben, dass KI einen positiven Reformanstoß für die universitäre Bildung insgesamt gibt. Aber Burnett ist durchaus auf der richtigen Spur. Die Frage lauten: Was müssen wir unseren Kindern in der Schule und jungen Menschen an den Universitäten vermitteln, wenn wir den Akt des Schreibens unterscheidbar von reiner Textproduktion machen wollen?
Und - mit Blick auf die oben geschilderte Lehrer-Erfahrung auf uns als Gesellschaft insgesamt abgeleitet: Wie schaffen wir ein Umfeld, in dem unser Denken nicht aus einer Bricolage von Aufmerksamkeits- und Informationsschnipseln und routiniertem Outsourcing geistiger Anstrengung besteht?
Der dritte Schauplatz
KI- und Investment-Deals mit Saudi-Arabien (siehe Ausgabe #137), dazu Millionen Nvidia-Chips für die Vereinigten Arabischen Emirate: Die Reise des US-Präsidenten Donald Trump dürfte das globale KI-Wettrennen stark beeinflussen. Welche Rolle also werden die Golfstaaten spielen? Mohammed Soliman, Cheerleader der aktuellen Entwicklungen, prophezeit im Politico-Podcast den Aufstieg der Region zum “third theater”, dem dritten Schauplatz des KI-Geschehens neben den USA und China.
Angesichts der Tatsache, dass die Staaten zwei Dinge - Energie und Geld - im Überfluss anbieten können, ist das gar nicht mal so unwahrscheinlich. Weitere Analysen gibt es zum Beispiel bei Bloomberg($), im WSJ ($) und von Abdullah Alzabin, der schon im Dezember einen sehr guten Text dazu hatte. Und Zvi Mowshowitz fragt, ob wir wirklich die Verbreitung von KI-Entwicklungsfähigkeiten in einem weiterhin unregulierten Umfeld auf die leichte Schulter nehmen sollten - oder die Biden-Regierung mit ihrer Begrenzung der Chip-Exporte nicht recht hatte.
Zwei Social-Media-Zitate
Apple Intelligence bleibt ein Desaster - wie Jonathan Reed am eigenen Leib erfuhr, als ihm iOS die Zusammenfassung einer Textnachricht präsentierte:
“Hey Apple. Bring dein verdammtes Haus in Ordnung. Ich habe gerade eine Benachrichtigung erhalten, dass „Dad einen weiteren Schlaganfall hatte“, obwohl er keinen hatte (er hatte schon einmal einen Schlaganfall, also gab es einen kleinen Hinweis in der Nachricht).”
Und Sam Jennings (der ungefähr mein Alter sein dürfte) macht sich Gedanken über Utopie und Realität des Internets:
“Das Internet ist für meine Generation das, was LSD für die Blumenkinder war: Visionen einer revolutionären, vernetzten Utopie, die uns in der Realität Burnout, Hirnfäule, New-Age-Therapien und Sekten bescherte.”
Kein Widerspruch von meiner Seite.
Ein Video: Interview mit Jony Ive
Inzwischen habe ich mir das Interview, das Patrick Collison (Stripe) mit Ex-Apple-Chefdesigner Jony Ive geführt hat, auch angesehen. Es hat tatsächlich interessante Momente, nicht nur für Freunde des “Denkens in Designfragen”. So sagt er in Anspielung auf die Frage negativer Auswirkungen von Technologien:
“Bei bestimmten Produkten, an denen ich sehr stark beteiligt war, gab es einige unbeabsichtigte Folgen, die alles andere als erfreulich waren. Mein Problem ist: Auch wenn es keine Absicht war, muss man Verantwortung übernehmen. Und das belastet mich.”
Wie genau, das hätte ich dann doch erfahren, doch Ive leitet geschickt und vage zum neuen Projekt seiner Firma LoveFrom über, zu dem er eigentlich nichts sagen darf - und das am Mittwoch von OpenAI gekauft wurde. M.G. Siegler leitet daraus ab, dass dieses Geheimprodukt eine Form von “Überwindung des Smartphones” und damit auch seiner süchtig machenden Eigenschaften werden soll. Was allerdings der Tatsache widerspricht, dass OpenAI Verweildauer sehr wohl als relevante und zu steigernde Größe betrachtet.
Eine Grafik: Trump ist (vor allem) ein Tech-Milliardär
Trumps Vermögenswerte. Grafik via The Economist (€)
Links
Die wichtigsten Ankündigungen von Google I/O und Microsoft Build.
Google I/O & Gemini - eine Analyse. ($)
USA: Bösartige Kommunikationsgeräte in chinesischen Solar-Wechselrichtern.
Unbekannte Komponenten in Energie-Ausrüstung für Dänemarkt entdeckt.
Huawei: Drei Verdachtsfälle der Abgeordnetenbestechung im Europaparlament.
Online-Werbung: Belgisches Gericht kippt “Transparency and Consent”-Framework.
Telegram: Mehr als 22.000 Daten-Weitergaben im ersten Quartal.
HarmonyOS: Huawei bringt erstmals Laptops mit Windows-Alternative auf den Markt. ($)
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Die neuen Akteure im neuen Digitalministerium. (€)
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Johannes