Hallo zu einer neuen Ausgabe. Die vergangenen Tage waren in der Bundespolitik etwas… zeitintensiv. Auch die kommende Woche ist bei mir terminreich. Bedeutet: Dieser Newsletter erscheint im Moment in unregelmäßigem Abstand. Danke für das Verständnis!
Der Triumph des Oligarchen
Vermutlich hätte ich über etwas anderes geschrieben, wenn Kamala Harris die US-Präsidentschaftswahl gewonnen hätte. Andererseits lag es mir auf der Zunge (beziehungsweise: lag ein Posting dazu im Entwurfsordner meines anderen Newsletters), etwas über der völlig außer Kontrolle geratene Großspenden-Situation im amerikanischen Wahlkampf zu schreiben. Und das hat auch mit Tech zu tun.
Aber zu den Zahlen: Schätzungen zufolge hat dieser Wahlkampf Kandidatinnen und Kandidaten auf allen Ebenen insgesamt 16 Milliarden US-Dollar gekostet. Das ist nochmal eine Milliarde mehr als 2020. Zum Vergleich: 2004 lagen diese Wahlkampfkosten noch bei einem Viertel davon, nämlich bei 4,2 Milliarden US-Dollar.
Kenner wissen: 2010 war “Citizen’s United”, die komplette Freigabe von privaten und privatwirtschaftlichen Wahlkampfspenden durch den Supreme Court unter dem Motto “Geld ist eine Meinungsäußerung (und darf deshalb nicht reguliert werden)”.
Susan B. Glasser hat über die republikanischen Großspender einen lesenswerten New-Yorker-Artikel geschrieben. Im zugehörigen Podcast erzählt sie (übersetzt und gefettet):
“George W. Bush hatte damals diesen neuen Club gegründet, der im Wesentlichen für Spendenaktionen gedacht war: Um hineinzukommen, musste man stückeln, denn es ging immer nur um ein paar tausend Dollar auf einmal. Wenn man in der Lage war, insgesamt 100.000 US-Dollar aufzutreiben, bekam man diesen abgedroschenen Titel “Pionier”, und im Jahr 2004 kam dann noch “Super Ranger” hinzu, wenn man mindestens 200.000 US-Dollar gab.
Im Jahr 2000 war man also mit 200.000 US-Dollar Top-Spender, für den gegenwärtigen Wahlkampf von Trump liegt diese Summe bei 2,5 Millionen US-Dollar. Und das sind noch nicht einmal die ernstzunehmenden Summen, die von den Milliardären kommen. (…) Schecks über 50 Millionen Dollar sind in diesem Umfeld keine Seltenheit mehr.”
Womit wir bei Elon Musk wären: Der gab für den Trump-Wahlkampf insgesamt gut 130 Millionen US-Dollar aus, 118 Millionen US-Dollar davon für sein eigenes Super PAC “America PAC”, das in verschiedenen Swing States de facto als Outsourcing-Agentur der Trump-Kampagne die Wählermobilisierung (mit) übernahm. Musk trat selbst ständig bei Trump-Veranstaltungen auf und versuchte mit angeblichen Wähler-Lotterien, per Geld Menschen an die Urne zu bringen.
Parallel dazu hat Musk X-Twitter zu einer veritablen digital-globalen User-Generated-Content-Version von Fox News ausgebaut (vgl. die vergangenen Ausgaben dieses Newsletters). Oder vielleicht auch einfach einer Light-Version von Trumps eigenem Netzwerk Truth Social (es gibt ja bereits Gerüchte, dass die Firmen fusionieren könnten).
Musk verwendete X auf zwei Arten: Einerseits spielte der Algorithmus den Nutzerinnen und Nutzern offensichtlich vorwiegend Trump- und Trump-Unterstützungs-Content in die Timeline, besonders die “For You”-Page. Auch wenn es den Anschein hat: Dass Musk nachgeholfen hat, ist nicht zu beweisen - zumindest nicht, solange die Federal Election Commission (FEC) weiterhin so schwach ist. Die Republikaner haben Social-Media-Firmen ja schon für weniger zu Anhörungen antanzen lassen, aber da ging es ja um das Narrativ der konservativen Übervorteilung. Tja.
Der zweite Punkt war die Etablierung eines Gegen-Narrativs für den Fall, dass Trump die Wahl verliert: Nämlich der Erzählung, dass die Wahl voller Manipulationsversuche zugunsten der Demokraten sei. Eine eigene X-Gruppe dafür, die “Election Integrity Community”, diente im Kern letztlich nur als Verbreitungskanal für pro-republikanische Falschnachrichten zum Wahlprozess. Und auch Musk selbst verbreitete solche Desinformation in den Tagen und Wochen gezielt über seinen eigenen Account. Am Ende blieb das Szenario aus, indem Desinformation zu Taten, also einem Putsch geführt hätte - ein Sieg der Demokratin Harris.
Robert Wright vom Nonzero-Newsletter fasst Musks Doppelrolle als Wahlkampf-Financier und Medienbaron im Social-Media-Zeitalter so zusammen (übersetzt und gefettet):
“Alles in allem hat Musk vielleicht mehr für eine amerikanische Präsidentschaftskandidatur getan als jeder andere Kapitalist in der Geschichte des amerikanischen Kapitalismus. Und es sieht so aus, als könne er mit einer guten Entlohnung rechnen, wenn seine Bemühungen erfolgreich sind. Trump hat versprochen, ihn zum Leiter einer neuen “Regierungseffizienzkommission” zu machen, die Haushaltskürzungen empfehlen und Einfluss auf die Regulierungsbehörden ausüben soll. Eine solche Position könnte es Musk ermöglichen, die unzähligen Regierungsbehörden ins Visier zu nehmen, von denen er behauptet, dass sie seine Unternehmen zu Unrecht ins Visier von Untersuchungen und behördlichen Kontrollen genommen haben. Und unabhängig davon, ob diese Bemühungen den unvermeidlichen bürokratischen und gerichtlichen Druck überstehen oder nicht, könnte Musk bei einer Trump-Präsidentschaft auf jeden Fall mit so viel rechnen: Staatliche Aufträge werden an Musks verschiedene Unternehmen mindestens genauso reichlich fließen wie bisher, und die behördliche Kontrolle dieser Unternehmen wird nachlassen.“
Welche Bedeutung staatliche Unterstützung für das Musk-Firmenkonglomerat hat, zeigt diese Grafik:
Staatsaufträge sind lukrativ. Für Tech besonders. Einer Studie des Watson Institute for International and Public Affairs zufolge gab das Pentagon inzwischen insgesamt 53 Milliarden US-Dollar für Verträge mit Tech-Großkonzernen aus.
Musk kann sich nun erhoffen, bevorzugt zu werden (die Korruption in diesem Kontext war ja schon während Trump I erstaunlich). Der Economist schreibt, dass Trump Bidens 42-Milliarden-Dollar-Plan für Breitband-Anschlüsse im ländlichen Raum begraben könnte. Und stattdessen auf private Satelliten-Lösungen wie Starlink setzen würde.
Auch NASA als teilweise staatlicher Konkurrent von SpaceX in Weltraum-Angelegenheiten kann damit rechnen, geschwächt zu werden. Tesla wiederum könnte eine bundesbehördliche Ausnahme erhalten, wenn es um die Zulassung seiner (weiterhin unausgereiften) autonomen Fahrtechnik geht. Weitere Bereiche für Deregulierung sind Künstliche Intelligenz (mit dem Argument, dass man sich im Wettstreit mit China befindet) und die Crypto-Branche, die massiv in den Wahlkampf investiert hat. In beiden Bereichen verfolgt auch Musk direkte Interessen und Projekte.
Und auf der Regulierungsseite sehen die Trump’schen Pläne ja ohnehin vor, die Behörden weitestgehend von angeblich “ideologischen” Mitarbeitern zu säubern. Anwälte, Fachleute, erfahrene Regulierer: Sie alle müssen nun fürchten, ihren Job zu verlieren und gar nicht oder durch willfährige Akteure aus dem konservativen Orbit ersetzt zu werden. Sofern sie nicht von sich aus kündigen. Musk wiederum soll den Haushalt um gut ein Drittel kürzen. Übersetzte Zusammenfassung Bloomberg:
“Musks oberste Priorität sind die Bundesausgaben. Er will mindestens 2 Billionen Dollar aus dem aktuellen 6,75-Billionen-Dollar-Haushalt einsparen, ein kühner Schritt, der seiner Meinung nach durch die Streichung von verschwenderischen und unnötigen Programmen erreicht werden kann. Um dieses Ziel zu erreichen, hat Musk sich bereit erklärt, eine neue Kommission für Regierungseffizienz zu leiten, deren Aufgabe es sein wird, Ineffizienzen in allen Bundesbehörden zu identifizieren und zu beseitigen.
Für den Durchschnittsbürger könnten Musks Kürzungen weniger staatliche Dienstleistungen, mögliche Arbeitsplatzverluste in staatlich finanzierten Bereichen und knappere Budgets für Programme bedeuten.
Es ist das erste Mal, dass jemand diese Rolle innehat. Es ist ein Experiment. Wir werden sehen, was passiert.”
In der Realität ist es natürlich unklar, was eine Trump-Regierung von diesen Plänen umsetzen kann. Unter Trump I fehlte ein Plan. Der existiert nun. Unter Trump I ein fehlte ein Fokus. Hier gibt es auch dieses Mal Fragezeichen. Im Kern wird es davon abhängen, wie stark der alternde Trump als Präsident wirklich noch selbst Entscheidungen treffen wird - oder ob er in Wahrheit einfach als Symbolfigur agiert, der seine persönlichen Fehden pflegt, aber ansonsten sein Umfeld arbeiten lässt.
Angesichts der im Kern ähnlich narzisstisch veranlagten Persönlichkeiten und der Rolle, keine Widersprüche mehr zu erleben und zu dulden, kann man langfristig auch ein Fragezeichen hinter das Bündnis von Musk und Trump setzen.
Das ändert aber nichts daran: Unter dem Strich ist ein höheres Maß an Dysfunktionalität in der amerikanischen Regierung und Verwaltung zu erwarten.
Eine gute Zeit für einen Teil der Tech-Branche und besonders diejenigen, die dem Vize-Präsidenten J.D. Vance und dem (ich vereinfache) Thiel/Andreesen-Lager nahestehen. Dazu gehören ausdrücklich nicht Großkonzerne wie Alphabet, Meta, Amazon und Apple, die sich nun einmal mehr mit Trump gutstellen müssen (allerdings zum Beispiel auf Unterstützung für Atomkraftwerkspläne zur Energiegewinnung für KI-Rechenzentren hoffen dürfen). Es sind eher die mittelgroßen Firmen, die Andreessen/Horowitz “Little Tech” nennen (mehr dazu bei Ben Thompson).
Franklin Foer schreibt zu dieser neuen Konstellation der Trumpistischen Oligarchie (übersetzt und gefettet)
“Jedes oligarchische System schreibt seine eigenen informellen Regeln und kommt zu seinen eigenen heimlichen Absprachen. Im Gegensatz zu Putin verbündet sich Trump mit wirklich kreativen Unternehmern. Doch das macht das amerikanische Modell nicht besser, sondern nur besonders gefährlich. Trumps Transaktionismus wird an Menschen gebunden sein, die von Gier, aber auch von messianischer Inbrunst getrieben werden. Das wird etwas völlig Neues hervorbringen.”
Das wäre natürlich ein gute Schlusswort, aber es gibt noch eine Sache, die hier erwähnt werden muss: Nämlich den Spott, der von vielen Beobachterinnen und Beobachtern (auch mir) zu lesen und hören war, als Musk damals Twitter für einen völlig überteuerten Preis übernommen hat.
Natürlich lässt sich nicht beziffern, was X Musk finanziell nun bringt. Als Geschäft bekanntlich nicht viel. Doch die Rolle bei der Wahl Trumps und auch beim weiteren Einsatz für die Belange der globalen Reaktion ist nicht zu unterschätzen. Musk hat mit der Trump-Unterstützung eine große Wette abgeschlossen. Und damit zumindest vorerst gewonnen.
Das neue politischen Bündnis des reichsten Mannes der Welt mit dem künftig (formal) mächtigsten Politiker der Welt bringt deshalb eine Konstellation hervor, die in der modernen Geschichte einmalig sein dürfte. Das Wort “Oligarchie” wird dieser Dimension nicht einmal völlig gerecht.
Bis zur nächsten Ausgabe!
Johannes